Wir Menschen versuchen aus allem Sinn zu machen, überall Schemata und Muster zu erkennen und zu konstruieren auch da, wo keine sind. Alles soll so sinnvoll und vereinfacht werden, dass es in unsere Denkschemata passt. Dazu sind wir auch bereit, die Realität zu ignorieren und zu verzerren.
Auf der Suche nach Sinn und Vereinfachung machen wir alles nur noch komplexer. Dadurch wird unsere verzweifelte Sinnsuche noch größer.
Das ist doch verrückt!
19. Mai 2010
In „The Quark and the Jaguar“ definiert Murray Gell-Mann effektive Komplexität:
Effektive Komplexität ist die Länge einer knappen Beschreibung der Gesetzmäßigkeiten eines Systems. (S. 227)
Das ist die elegante und einfache Definition eines großen Physikers. Es gibt aber einen Aspekt, der von dieser Definition nicht ausreichend erfasst wird: die Rolle des Subjekts, das mit einem System umgeht. Deswegen schlage ich eine Ergänzung vor:
- Wir unterscheiden effektive und subjektive Komplexität.
- Die subjektive Komplexität ist hoch, wenn wir nicht wissen, wie wir mit einem System umgehen.
Unser Ziel ist es, die subjektive Komplexität zu reduzieren. Es ist nicht immer möglich, notwendig oder wünschenswert, die effektive Komplexität des Systems, mit dem wir umgehen, zu reduzieren.
Wir sprechen von Einfachheit, wenn wir einen einfachen und wirksamen Weg haben, mit einem komplexen System umzugehen. Das ist es, was wir suchen. Uns auf die Constraints eines komplexen Systems zu fokussieren, ist Einfachheit.
14. Mai 2010
Die Zuspitzung der Finanzkrise rund um die Griechen zeigt, dass es jetzt nicht mehr weit zu Staatsbankrotten ist. Der Staatsbankrott ist eigentlich die einzige Möglichkeit, weil er Zugeständnisse von den Gläubigern verlangt. Der Constraint für die Gesellschaften und Staaten ist, dass ein immer größerer Teil der Haushalte als Zinsen an Gläubiger, also an Rentiers abgeführt werden muss. Die Gläubiger auszubooten ist hier der einzige Weg. Die ganzen hektischen Rettungsaktionen haben nur das Ziel, die Stunde der Wahrheit hinauszuschieben.
Die Gläubiger und ihre Finanzmanager sind mehr oder weniger mit den führenden Schichten und Eliten identisch. Sozial stellt sich also die Frage der Abdankung der Eliten. Dass sie sich wehren und versuchen, zu retten, was sie retten können, ist verständlich. Aber in nicht mehr allzu ferner Zeit werden sie auf ihre Ansprüche verzichten müssen, weil ihre Position immer unhaltbarer wird.
09. Mai 2010
Auf der Suche nach einem besseren Zugang zu Sun Tzu habe ich die Denma Translation entdeckt. Sie ermöglicht einen direkteren und einfacheren Zugang zum Sun Tzu als die deutschen Ausgaben, die ich bisher kenne. Offensichtlich sind durch die Übersetzungen vom Chinesischen ins Englische, dann ins Deutsche viele Filter und Interpretationen eingebaut worden, die den Zugang erschweren. Die mir bisher bekannten Übersetzungen (Giles, Griffith, Cleary) sind im Englischen auch stärker und leichter zugänglich.
Ein weiterer Punkt ist – so lerne ich – dass der Text in China auch verändert und erweitert wurde. Die Denma-Ausgabe basiert auf dem ältesten bekannten und in vieler Hinsicht stärksten Text, den 1972 gefundenen Bambusrollen.
Weiter gibt es zur Denma Ausgabe verschiedene Formen (Buch, Audio, Karten), die unterschiedliche Zugänge ermöglichen. Der Text liegt in Kurzform und in kommentierter Form vor, dazu Essays, dazu ein umfangreicher Apparat auf der Website mit Anmerkungen der Übersetzer.
Die Denma-Ausgabe ermöglicht mir also einen neuen, frischen Zugang zum Sun Tzu, den ich mit wachsender Faszination annehme.
Erste Eindrücke zeigen verblüffende Parallelen zwischen Aikido und dem Sun Tzu, die mir bisher nicht so aufgefallen waren.
24. März 2008
Durch Blogging gerät man leicht in die „Erfahrungsfalle“:
- Man lebt (und schreibt) nur aus seinen Erfahrungen und lernt nichts neues dazu. Man macht dieselben Fehler immer wieder.
- Man investiert leicht zu viel Zeit, auf Kosten anderer Aktivitäten wie Sport, Freundschaften, Lesen und verliert so an Balance und am nötigen Abstand.
Für jemanden (wie mich), dem das Blogging eine zusätzliche Aktivität ist, um sein Wissen, seine Gedanken … anderen zugänglich zu machen, darf es nicht die Oberhand gewinnen.
Im Leben muss es einen Strom der Erfahrung, der Reflektion und des Lernens geben, der sich aus den unzähligen Alltagsaktivitäten speist. Dabei ist es nötig, die nötige Balance, Stabilität und Ausgeglichenheit zu haben. Wenn aus dieser Basis die Erfahrung und das Wissen wachsen und daraus der eine oder andere authentische und gehaltvolle Beitrag im Weblog hervorgeht, ist das auch für die Leser viel mehr wert als wenn man zu viele oberflächliche, nicht selbst recherchierte Beiträge mit zu wenig eigenem Erfahrungshintergrund schreibt.
Was bedeutet das?
John Boyd stellte die Frage: „to be or to do?“ Also, mehr Aktivität, Lernen, Erfahrung und weniger Blogging!
Das Fundament für wandelweb.de ist gelegt. Jetzt geht es langsamer, aber kontinuierlich weiter.
02. März 2008
Heute war ich in Once, in einem der schönsten Filme, die ich – Kinomuffel – je gesehen habe.
Er zeigt die Liebesgeschichte eines Paars, die aufgrund ihrer Umstände nicht zusammenkommen. Aber aus dieser feinen Spannung fliesst von Sekunde zu Sekunde eine ungeheuer intensive Musik. Da die Spannung bis zum Schluss andauert und sich nicht in einem „Happy End“ à la Hollywood auflöst, fliesst die Musik weiter und weiter in den Ohren der Zuseher und Hörer auch wenn sie das Kino schon längst verlassen haben.
Ich frage mich, ob das ein Grundmuster ist, ob Musik, Bilder, Bewegung, Kunst, Kreativität immer nur aus Spannung, aus Widerspruch entstehen. Ist das so? Ich kenne keine Gegenbeispiele.
20. Januar 2008
Friedrich Hölderlin schrieb während der Jahre 1796–1998 das folgende Gedicht:
An die Deutschen
Spottet ja nicht des Kinds, wenn es mit Peitsch und Sporn
Auf dem Rosse von Holz mutig und gross sich dünkt,
Denn, ihr Deutschen, auch ihr seid
Tatenarm und gedankenvoll.
Oder kömmt, wie der Strahl aus dem Gewölke kömmt,
Aus Gedanken die Tat? Leben die Bücher bald?
O ihr Lieben, so nimmt mich,
Daß ich büße die Lästerung.
Ist doch immer noch irgendwie aktuell, oder nicht?
03. Januar 2008
Hier meine neueste Errungenschaft, eine Haiga-Malerei von Yosa Buson (jap. 与謝蕪村, 1716 – 1784), ein Geschenk meiner Eltern. Ein Haiga ist eine japanische Zeichnung aus wenigen Pinselstrichen zusammen mit einem Haiku-Gedicht. Ein Haiga erfasst den Augenblick.
Was bedeutet das Haiku? Wer ist dargestellt (vermutlich ein Haiku-Dichter)? Ich weiss es noch nicht. Vielleicht kann jemand helfen?
Einstweilen hier ein anderes Haiku von Buson:
Zu Frost und Mondschein
Die kleinen Kiesel spüren
Unter den Sohlen.
31. Dezember 2007
Seit einigen Monaten führe ich jetzt eigene Weblogs (wandelweb.de) und beobachte, dass die meisten meiner Freunde und Bekannten das Medium eigentlich noch gar nicht kennen, sondern es nur für eine gewöhnliche Internetseite halten.
Ein Weblog hat aber eine Einrichtung (RSS-Feed), die es erlaubt ihn (kostenlos) zu abonnieren. Dem Abonnenten eines Weblogs werden dann jeweils die neuesten und noch nicht gelesenen Artikel angezeigt.
Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten:
- Moderne Browser wie IE7 oder Firefox ermöglichen direkt ein Abonnement.
- Man kann sich einen Feedreader am eigenen Computer installieren (z.B. den Feedreader für Windows oder NetNewsWire für Mac). Das ist sinnvoll, wenn man viele Weblogs abonniert hat.
- Man abonniert die Feeds in einem webbasierten Reader wie Google-Reader, Netvibes oder Bloglines. So ist man an keinen speziellen Computer gebunden.
- Auch Email-Programme wie Outlook (mit RSS-Popper) oder Mail (von MacOS X 10.5) ermöglichen Abos.
Meist finden wir auf den Weblogs entweder das Symbol: oder einen Eintrag wie „RSS abonnieren“, die wir anklicken können, um das Abo auszulösen.
Jetzt kann man jeden Tag den Newsreader checken und sieht auf einen Blick, welche neuen Einträge es in den abonnierten Weblogs gibt. Das tägliche Lesen einzelner neuer Einträge ist interessanter und angenehmer als selten viele Seiten zu lesen. Auf diese Weise hat man mehr davon und es entsteht ein Dialog mit den Autoren der Weblogs.
30. Dezember 2007
Je mehr sich alles ändert, desto mehr ist es dasselbe. Oder: man kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen. Wandel und Beständigkeit sind zwei Pole unseres Lebens.
Aber was ist schon wirklich beständig? Der Augenblick! Wenn man achtsam von Augenblick zu Augenblick lebt, gibt es kein Problem mit Wandel oder Beständigkeit. Alles ist so wie es ist, man ist im Fluss.
Wandel ist das Thema von wandelweb.de. Die Beständigkeit (des Augenblicks) ist das Zentrum von gleichsam.de. Beide sind wie zwei Pole zueinander (siehe dazu das Editorial).
Die URL „gleichsam.de“ habe ich jetzt schon einige Jahre. Aber die Bedeutung entdecke ich erst langsam.
30. Dezember 2007
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